Erster EU-Sport-Dialog in Kamen-Kaiserau zur Flüchtlingsfrage – eine Mutmachkonferenz

Kamen-Kaiserau. „Auf jeden Fall wiederholen!“ Das war Fazit der Teilnehmer des ersten EU-Sport-Dialoges im SportCentrum Kamen•Kaiserau. Thema: „Flüchtlinge in Europa – der Beitrag des Sports zur Integration von Flüchtlingen in die europäischen Gesellschaften. Chancen – Herausforderungen – Fragen“.

Länderübergreifend wurde das Thema drei Tage lang (vom 11. bis 13. November) im SportCentrum aufbereitet. Eingeladen hatte die Europäische Akademie des Sports Westfalen gGmbH (EAdS / Sports for Europe), Tochter des Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen (FLVW). Gekommen waren Gäste aus Spanien, der Türkei, den Niederlanden und Polen, Vertreter von Ministerien, Olympischen Komitees und Universitäten, aus der Politik, von verschiedensten Sportbünden und Vereinen.

Teilnehmer der Mutmachkonferenz (von links): Werner Stürmann, LSB-Präsident Walter Schneeloch, Kamens Bürgermeister Hermann Hupe und FLVW-Präsident Hermann Korfmacher. Fotos: WFLV/Gdawitz

Teilnehmer der Mutmachkonferenz (von links): Werner Stürmann, LSB-Präsident Walter Schneeloch, Kamens Bürgermeister Hermann Hupe und FLVW-Präsident Hermann Korfmacher. Foto: WFLV/Gdawitz

Hermann Korfmacher, Vorsitzender des gastgebenden Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen (FLVW), machte in seiner Begrüßungsrede deutlich, dass „das Thema angesichts der Flüchtlingsströme den Nerv der Zeit trifft“. Versammelt waren Gäste aus Spanien, der Türkei, den Niederlanden und Polen sowie Vertreter aus Ministerien, von olympischen Komitees und Universitäten. Ebenso vertreten waren die Politik, verschiedenste Sportbünde und Vereine.

Sie alle eint ein Ziel: die Integration der Flüchtlinge in die Gesellschaft. FLVW-Vizepräsident Hans Schulz, zugleich Vorsitzender der EAdS-Gesellschafterversammlung, misst hierbei den Vereinen eine zentrale Rolle zu. „Sie können der erfolgreichen Integration durch ihre verbindende Kraft, die wir alle kennen und selber erlebt haben, Vorschub leisten“, sagte er und verwies dabei idealerweise auf die internationale Zusammenarbeit.

Diese schwere Aufgabe und Herausforderung womöglich epochalen Ausmaßes könne nur gemeinsam gelingen. „Der FLVW heißt die Flüchtlinge willkommen“, so Schulz weiter, „er unterstützt die Klubs bei der möglichst zügigen Bearbeitung von Spielberechtigungen und stellt zudem Vereinsberater für gesellschaftliche Themen zur Verfügung.“ Mit im Boot auch die Westfalen SPORT-Stiftung des FLVW, die ebenfalls Flüchtlingsinitiativen von Vereinen unterstützt.

Schneeloch fordert ein „klares Integrationskonzept“

LSB-Präsident Walter Schneeloch zeigte die aktuelle Situation auf: Eine Million Flüchtlinge in Deutschland, allein 200.000 in Nordrhein-Westfalen. „Das macht auf den ersten Blick betroffen und ratlos“, räumte er ein. Von daher wünschte er sich von dem EU-Dialog am Ende Handlungsempfehlungen, wie die Integration von Flüchtlingen in den Vereinen funktionieren könne. Der Einsatz der Sportvereine und -verbände sei schließlich ein bedeutender Beitrag des gemeinnützigen Sports, um die gesellschaftlichen Herausforderungen der aktuellen Flüchtlingssituation bewältigen zu können. Um das ungebrochene Engagement des Sports in der Flüchtlingshilfe zu würdigen und wertzuschätzen, haben die Landesregierung und der Landessportbund gemeinsam erneut 211.000 Euro für 500 Vereine zur Umsetzung von Maßnahmen im Bereich der Flüchtlingshilfe zur Verfügung gestellt. Schneeloch: „Entsprechende Anträge müssen gestellt werden.“ Derzeit werden 400 von 7.000 Hallen im Land von Flüchtlingen belegt, was „noch einigermaßen zu verkraften ist. Da tun sich aber schon Engpässe für die Vereine auf.“ Der LSB-Präsident fordert ein klares Integrationskonzept und verlässliche Rahmenbedingungen.

Werner Stürmann, Abteilungsleiter des Ministeriums für Kinder, Jugendliche, Kultur und Sport des Landes NRW, weiß um die Angst der Gesellschaft vor Veränderungen. „Das löst verständlicherweise Emotionen aus und erfordert nüchterne Pragmatik, die im Umgang mit Flüchtlingen weiter hilft.“ Zudem kündigte Staatssekretär Thorsten Klute vom Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen das Programm „Willkommen in NRW“ an, dass Anfang Januar an den Start gehen soll.

„Erst Unterbringungsstellen schaffen, dann über Integration reden“

Kamens Bürgermeister Hermann Hupe zeigte die Not seiner Stadt bei der Bewältigung des Flüchtlingsandranges auf. „Die Kommune arbeitet am Anschlag“, seine Einlassungen dazu, „Geld für die Unterbringung von Flüchtlingen ist da, es fehlt jedoch an Unterbringungsstellen.“ Erst müsse man dieses Problem zu lösen versuchen, dann erst könne man von Integration sprechen. „Sport ist die erste Instanz, die Integration leisten kann“, verweist er auch auf die Schaffung von Infobörsen für die Sportvereine.

"Es gibt keinen Königsweg": erster EU-Sportdialog in Kamen-Kaiserau. Teilnehmer der Mutmachkonferenz (von links): Werner Stürmann, LSB-Präsident Walter Schneeloch, Kamens Bürgermeister Hermann Hupe und FLVW-Präsident Hermann Korfmacher. Foto: WFLV/Gdawitz

„Es gibt keinen Königsweg“: erster EU-Sport-Dialog im SportCentrum in Kamen-Kaiserau. Foto: WFLV/Gdawitz

„Was nehmen wir mit?“

„Beispielgebend“ und „inspirierend“, so das Fazit vieler Teilnehmer. Tags zuvor hatten einige Vereine ihre Ideen zur Integration vorgestellt. Deutschunterricht auf dem Platz vor dem Training; ein Schulbus, der sich mit Materialien den Weg zu den Flüchtlingsunterkünften bahnt und zum Mitspielen anregt; oder der Blick in die Nachbarländer: eine österreichische Initiative hat eine Weltmeisterschaft für Flüchtlinge und Migranten aus der Taufe gehoben. Der Höhepunkt: 64 Teams beim Finalturnier in Amsterdam. Und das begleitet von 90 akkreditierten Medienvertretern.

Natürlich gebe es keinen „Königsweg“, wie auch Vizepräsident Schulz zu Beginn des Dialoges betont hatte. Aber: es war „eine Mutmachkonferenz“, so Stimmen aus dem Auditorium – aufgegriffen von Präsident Hermann Korfmacher nach der Schlussrunde. Einigkeit herrschte, dass es nur gemeinsam gehen könne. „Viele Hilfen seitens der Verbände und Sportbünde gibt es bereits, aber noch mehr sind vonnöten“, bilanzierte Korfmacher. Zuvor hatten die drei Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse präsentiert.

Proaktiv müsse das Geschehen geordnet werden, nicht reaktiv. Dafür brauche es angemessene organisatorische Strukturen und ausreichend Ressourcen in den Vereinen. Adäquate Qualifizierung der Ehrenamtlichen sei hierfür unerlässlich, insbesondere im Umgang mit traumatisierten Menschen. „Das kann ein Verein nicht leisten“, so die einhellige Meinung.

Jetzt müssten entsprechende Angebote geschaffen und diese, so die Forderung, auch „öffentlich gemacht werden“, damit die Vereine wüssten, welche Hilfen es gibt und wo sie diese anfordern können.

Eine „kommunale Koordinierungsstelle“ für Flüchtlingsfragen wurde angeregt und vom Ministeriumsvertreter mit nach Düsseldorf genommen.

Vielzahl von Anregungen

„Der Strauß von Ideen und Anregungen ist vielfältig“, fasste es Korfmacher zusammen. In den kommenden Wochen wird die EAdS Westfalen diese auswerten und bündeln, um Handlungsempfehlungen an die Vereine weitergeben zu können. Der Tenor bei den Teilnehmern am Ende der Veranstaltung war einhellig positiv. Dabei reichte die Palette von gutem Gedankenaustausch, Motivationsschub, viel gelernt, nehme für die Praxis viel mit bis hin zu mehr andere Sportverbände einbinden und mit dem zweiten EU-Sport-Dialog den nächsten Schritt tun.

• Broschüre zum ersten EU-Dialog (pdf, 52 Seiten, 6,2 MB)